Als ich wie fast jeden Morgen auf den örtlichen Supermarkt zusteuere, wundere ich mich: Vor dem Eingang stehen mehrere große Reisetaschen. Der Anblick erinnert mich an damals, als ich am Flughafen gearbeitet habe. Ob jetzt hier ein Check-In ist? Egal. Ich muss einkaufen, danach nach Hause – Haushalt und mein kleines Home Office warten. Etwas später komme ich schwer beladen wieder raus. Neben den Taschen steht ein dünner, alter, dreckiger Mann. Er nestelt an den ganzen Taschen rum. Die sind voller Dosen und Pfandflaschen. Und mir fällt der Artikel aus der NW von vor ein paar Tagen ein: Wollen wir diese Pfandringe in Paderborn?

Die Symbolkraft von Dosenpfand

Als damals das Dosenpfand eingeführt wurde, haben wir geflucht in unserem jugendlichen Leichtsinn. Ich hab damals auch an der Stadtverwaltung gesessen, oder im PQ, und habe zum Frühlingsfest oder Libori dort mit leeren Bierdosen die Umwelt verschmutzt. Mea culpa!

Wir sind begeistert auf Festivals gefahren und haben dann die leeren Dosen wieder mit nach Hause genommen. Oder vorher welche in Holland oder Polen gekauft, nur um das Dosenpfand zu umgehen.

Heute ist das Dosenpfand fest in unserer Gesellschaft etabliert, und mein inzwischen grün gewandeltes Herz findet es gut.

Doch mehr als mit schönen, feuchtfröhlichen Festival-Erinnerungen verbinde ich Dosenpfand heute mit dem Alter. Und mit Armut. Beim „Pfandsammeln“ ist der Kurzschluss direkt da: Ein alter Mensch, der in der Mülltonnne nach Pfand gräbt.

[tweetshare tweet=“Der alte Mann heute früh vor dem Supermarkt steht symbolisch für eine ganze Generation Armutsrentner, die genötigt sind Pfandflaschen im Müll zu sammeln.“]

Das ist kein schöner Anblick, und es löst in mir Gefühle von Angst und Ekel hervor – die Zukunftsaussichten sind für viele Menschen nicht gerade prickelnd. (Und das jetzt, wo ich mir gerade sowieso Gedanken um die Rente mache.)

Mit dieser Angst vorm Pfandsammeln-Müssen-im-Alter arbeiten übrigens auch Parteien in ihren Wahlkämpfen: Die Linke forderte beispielsweise auf einem Wahlplakat „Statt Flaschen sammeln: 1050€ Mindestrente“. Ihre Gegner ganz rechts (um hier die beiden Extreme links und rechts zu nennen) haben im letzten Wahlkampf immer wieder eine alte Frau gezeigt, die in einer Mülltonne nach Pfand sucht. 

Regelmäßig sind in der Presse, im sozialen Netz und im Alltag Satzbausteine zu finden, in denen Pfand sammeln/ Flaschen sammeln mit Altersarmut synonymisiert sind.

Pfandringe in Paderborn

Die Grünen in Paderborn fordern nun „Pfandringe“ für Paderborner Mülltonnen. Das sind so Sammelringe, in die man das Pfand abstellen kann. Die Armen müssen dann nicht in die Tonne kriechen. Die NW untertitelt mit „Mehr Würde für Pfandflaschen-Sammler“.

Jetzt kommt der Punkt, an dem ich mal ganz kurz die Luft anhalte. Eigentlich möchte ich sagen: Merkter selber, oder?

Ich atme langsam aus und versuche es mal so: Bei dem Artikel ist eine Umfrage verknüpft. Am 25.09.2018 sprechen sich 83% der Stimmen für die Pfandringe aus. Grundsätzlich ist das ja ganz löblich.

[tweetshare tweet=“Aber Pfandringe behandeln lediglich das Symptom, und nicht die Ursache!“]

Was ist denn die Ursache für Altersarmut? Warum landen so viele Menschen in Hartz IV, in der Armutsfalle? Wie kann man Pfandringe als Zeichen von Würde im Alter deklarieren? Und warum würden wir Geld für Pfandringe ausgeben, aber nicht die Rente an sich aufstocken? 

[tweetshare tweet=“Es bleibt eine Frage der Ethik. Leider missverstanden. Ob Pfandringe oder nicht – es ist eine Scheindiskussion, die nicht im mindesten die wirklichen Probleme der Menschen begriffen hat. Schade, liebe Grüne!“] 

Links zum Thema

Pfandgeben

Pfand gehört daneben

Hinweis: Webseiten zu politischen Parteien verlinke ich grundsätzlich nicht. 

Author

Sonja alias Padermama - kreativ-wilde Mama von vier Kindern. Liebt ihren Garten, Nähen und laute Musik.

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