Wir schreiben das Jahr 2020, das Jahr der Jogginghose und der Fetzen. Die flogen hier nämlich. Vor allem wegen „Home Office“ und weil das einfach nicht so einfach funktioniert. Was in Woche #01 noch so mit dem Feeling eines unverhofften langen Wochenendes begann, setzte sich in Woche #02 und #03 (!) als Geduldsspiel mit Nervenkrieg fort.
Home Office = das Schlachtfeld des Ehekriegs
Das mit dem Home Office und vier Kindern mache ich ja sowieso, nur dass die Schulkinder normal wenigstens bis mittags weg sind, sodass ich vormittags arbeiten kann – wertvolle zwei Stunden, die mir heiliger sind als Ausschlafen am Sonntag und heiliger als mein Pilger Bier am Freitag Abend.
Was sich in der ersten Woche der Corona-Quarantäne andeutete, setzte sich in der zweiten und der dritten Woche nun fort: So richtig verstehen die Kinder noch nicht, dass sie was für die Schule tun müssen. Die reden hier von „Corona-Ferien“.
Nun ja. In der ersten Woche hatte ich hier noch ganz andere Sorgen als die Lehrpläne, von daher ist die Schule da doch sehr in den Hintergrund gerückt.
In der zweiten Woche kam dann endlich Stefan von seinem Einsatz auf dem Schiff zurück und eröffnete direkt: Seine Firma arbeitet nahtlos weiter – er von zuhause aus, klar, aber mit dem Effekt, dass ich nun nicht nur die Kinder an der Backe habe, sondern auch noch dafür Sorge zu tragen habe, dass der Papa sein Home Office hier durchziehen kann.
Und wann ich dann arbeiten soll? Tatsächlich klappt das bisher mehr so auf Zuruf und im Zweifel dann halt auch nicht. Das ist auch der Grund, warum letzte Woche keine Corona-Woche-#02-Tagebuch hier erschienen ist, und war bin gelinde gesagt zwischendurch ziemlich angepisst deswegen gewesen.
Und keine Angst, ich würde das nicht so ins Netz schreiben, wenn ich nicht auch ganz offen mit meinem Mann darüber reden würde. Und natürlich sagt er, dass er meine Arbeit wichtig findet usw. usf. Dass mein Nähblog im März einen Rekordumsatz hatte, konnte ihn dann wenigstens ein bisschen überzeugen, dass meine Näherei und Leidenschaft für DIY eben doch nicht nur ein Hobby ist, das sich so’n bisschen selbst refinanziert und ansonsten ein reines Klick-und-Like-Geschäft auf Facebook, sondern ein tatsächlich von mir total ernst gemeintes Bloggerbusiness, so richtig mit Businessplan und Kalkulationen und eben auch Arbeitszeit, die dafür anfällt.
Corona bedeutet Mittelalter für Frauen
Inzwischen nimmt er dann nachmittags die Kinder, und ich kann ein bisschen arbeiten. [Den Haushalt mache ich trotzdem weitgehend allein.]
Die traurig-feministische Lehre, die ich – wie viele andere selbstständig arbeitenden Mütter – ziehen muss: Diese ganze Coronakacke katapultiert uns ins finstere Mittelalter, in dem Frauen unbezahlt und ungewürdigt den Weg vorbereiteten, für den die Männer dann die Lorbeeren und die dicken Prämien bekamen. Als Frau gibt’s da höchstens mal nen Blumenstrauß als Dankeschön. Und den brauche ich genauso wenig wie die Krankenschwestern den Applaus vom Balkon.
Corona Homeschooling? – Am Arsch die Räuber!
Aus diesem und anderen Gründen nehme ich dieses Zwangs-Home-Schooling auch nicht sonderlich ernst. Natürlich spreche ich aus einer sicheren, privilegierten Position als Mutter zweier Einser-Schüler in Klasse 2 und 3 – so groß sind die Probleme hier einfach noch nicht. Aber ich möchte mal betonen: Ich habe bisher noch nie ernsthaft Hausaufgaben kontrolliert oder den Kindern irgendwelche Vorschriften dazu gemacht, allein weil ich es nicht einsehe mich mit den Kindern wegen Hausaufgaben oder schlechten Noten zu streiten. Ich sehe mich mehr so als Coach für meine Kinder, nicht als verlängerten Arm der Schule.
Das fange ich auch jetzt nicht an!
Warum? Ich bin hier im Moment weitgehend Einzelkämpferin und habe mein Geschäft (das ich im Moment fallenlassen muss wie eine heiße Nadel und das ich gerade nur so zwischendurch und abends so ab 22h machen kann), den Haushalt inkl. Wäsche, Küche, Putzen, Garten usw., die beiden Kindergartenkinder und dann soll ich nebenher noch die Großen unterrichten? – Ehrliche Antwort: Am Arsch die Räuber!
Auch dies empfinde ich gerade als belastende und frustrierende Situation, vor allem wenn in den Klassen-Whatsapp-Gruppen andere Strebermamas schon nach neuen Aufgaben fragen, während wir nicht einmal die Hälfte der gestellten Aufgaben erledigt haben. Ich bin ja froh, wenn die alle spielen und sich nicht streiten. Das reicht mir persönlich als Tagesziel.
Aufgaben machen wir vielleicht jeden zweiten Tag mal ne Seite von irgendwas. Ansonsten besteht der Lehrplan aus der „Sendung mit der Maus“, Sport mit „Alba Berlin“ und ab und zu eine Dokumentation in einer Mediathek oder unserer neuesten Anschaffung „Disney +“ (lohnt sich allein wegen „The Mandalorian“ und „Agents of S.H.I.E.L.D., die gucken wir gerade). Weben war einen Tag lang der große Hit, ansonsten lesen meine beiden Großen viel – Lesetipps werde ich je nach Home-Office-Kapazität bald verbloggen ;).
Es kommt mir gar nicht in den Sinn hier eine Schulsituation zu simulieren: Wem will ich was vormachen? Selbst wenn ich die beiden Großen davon überzeuge sich mit Buchstaben, Zahlen und Englisch zu beschäftigen, habe ich weder Zeit noch Lust das alles zu kontrollieren! Hier turnen ja auch noch die Kindergartenkinder dazwischen, und Hunger haben sie auch immer alle.
Wenn es irgendwann wieder losgeht, werden die Lehrerinnen eh die Bildungsscherben der Kinder aufsammeln müssen und ein gemeinsames Niveau erarbeiten, und ich bin ziemlich sicher, das sehr viele Kinder im Moment hauptsächlich vor der Konsole oder der Glotze sitzen. Oder Opfer häuslicher Gewalt werden. Ich denke, wir haben nach Corona weiterhin ganz andere Sorgen, ob im Zweifel mal ein Schuljahr ausfällt. In 99% aller Fälle wäre das wahrscheinlich sogar die beste Lösung für alle.
Zum Glück – das möchte ich hier auch nochmal betonen – sind unsere Lehrerinnen auch sehr nachsichtig und machen rein freiwillige Lernangebote. Von unserer Schulleiterin kam schon ein Brief, dass es im Moment wichtigeres gibt als den Lehrplan. Das finde ich wirklich stark und beruhigt mich. Druck kann ich nämlich in dieser Situation wirklich nicht gebrauchen.
Corostern
Damit schließe ich Woche #02 und #03 ab. Zum Ende dieser Woche haben wir uns inzwischen doch sehr an den neuen Alltag gewöhnt – es zeigen sich erste Ansätze, wie es auch zukünftig gut laufen wird. Stefan sieht im Moment zu, dass er mir nachmittags die Kinder vom Halse hält – er will ja auch keine angepisste Ehefrau haben.
Die Kinder schneiden das alles glaub ich gar nicht so mit. Die vermissen zwar ab und zu ihre Freunde, aber zum Spielen und Streiten haben sie ja auch genug Geschwister, das geht ganz gut. Neulich hab ich unseren großen Sohn gefragt, ob er nach drei Tagen im Schlafanzug nicht mal was anderes anziehen will. Er meinte: „Nee, Mama, gestern hatte ich eine Jogginghose an!“
Alles klar. Darauf ein Pilger ;). Wie lief es bei euch?
3 Comments
Ich bin jetzt mal bei einem älteren Artikeln von dir gelandet, weil es mich immer interessiert, wie es den Familien mit dem Homeschooling geht. Und ja. Euch geht es allen gleich (oder es ist euch gleich ergangen) und mir würde es auch so gehen, wären meine Kinder nicht schon längst erwachsen.
Es ist wirklich viel von den Familien verlangt worden. Und gut, es gab kaum Alternativen zu Homeschooling und Homeoffice. Es ist aber typisch, dass die ganze Orga an den Frauen hing. Und es wundert mich gar nicht, dass die Lehrer digital so schlecht aufgestellt sind. Ich habe von Fällen gehört, da wurden die Hausaufgaben per WhatsApp verteilt. (1. Klasse in Bayern, junge Lehrerin). Da könnte man schon ein bisschen mehr verlangen.
Jetzt gibt es ja wieder Schulbetrieb. Und ich hoffe, dass das so bleiben kann.
LG
Sabiene
Hallo Sabiene,
am Ende hat sich bei uns alles sogar ganz gut eingependelt – ich habe aber irgendwann das Homeschooling nicht mehr zu ernst genommen. Was wir geschafft haben = gut, was liegen blieb = tja, mein Gott, dann lernen sie das halt später! Ich muss aber dazu sagen, dass ich eh nicht viel von Schulnoten halte, und dass unsere Grundschule da auch nicht zu streng war. Die haben auch gesagt, die Inhalte sind freiwillig und es wäre wichtiger, dass wir als Familie gut durch die Zeit kommen. Anfangs gab es da ja auch noch große Unsicherheit. Ich hätte auch nicht gedacht, dass die Kinder vor den Ferien nochmal zur Schule gehen würden!
Uns hat am Ende geholfen, dass wir den Garten haben und nicht zu sehr auf den Lehrplan bestanden haben. Mein Mann und ich haben uns dann auch irgendwann mit der Arbeitszeit arrangiert, sodass ich mein Probenähen durchführen und noch vor dem Sommer mein Schnittmuster veröffentlichen konnte. Klar hätte ich ohne Corona mehr geschafft, aber ich habe in dieser Zeit auch gelernt, dass mein Business doch recht krisensicher war und auch so weiterlief.
Mit der Schulöffnung jetzt bin ich gespannt! Bisher läuft es gut bei uns, und unsere Grundschule arbeitet an digitalen Möglichkeiten für den Fall, dass es nötig wird – was ich super finde!
Insgesamt sind wir bisher recht unbeschadet durch dieses Jahr gekommen. Ich hab ein bisschen Bammel vor dem Herbst, aber auch das werden wir irgendwie hinkriegen. Haben wir ja schon einmal geschafft ;). Und dieses Mal sind wir hoffentlich in allen Bereichen als Land besser vorbereitet – auch auf wachsende häusliche Gewalt. Das gab mir sehr zu denken, denn sind wir mal ehrlich: Für uns mit eigenem Haus und Garten war es am Ende ein Luxus-Lockdown.
Lieber Gruß,
Sonja
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