Kann man als Familie überhaupt nachhaltig leben? Diese Frage treibt uns schon länger um, und dieses Jahr hat uns allen mit Corona gezeigt, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Corona – das ist ganz offensichtlich das Symptom einer kranken Welt, und so nervig es auch für uns ist, so muss uns doch klar sein: Sowas wird wiederkommen, wenn wir unseren Lebensstil, der auf Konsum, Kapitalismus und Wachstum aufbaut, nicht dringend ändern. Doch wie gelingt es Nachhaltigkeit zu leben – als Mensch, als Familie? Die ernüchternde Erkenntnis ist: Wir können nicht alles. Aber ein bisschen was. Und vielleicht machst Du ja auch mit?
Etwas ist faul an unserer Lebensweise
Seit ich Kinder habe, denke ich mehr über unsere (westliche) Lebensweise nach. Es begann mit dem ersten Bauernhof-Bilderbuch, das eine Idylle zeichnete, die es wohl kaum wirklich gibt. Der Konflikt war da: Wie kann ich meinen Kindern eine Bauernhof-Idylle zeigen und selbst wissen, dass es auf der Mehrheit der Bauernhöfe nicht so aussieht? Dass Bauer Paul gar keine Zeit hat stundenlang Ferkel Ferdinand zu suchen? Dass Ferkel Ferdinand in Wirklichkeit womöglich missgebildet geboren wurde, weil das Futter seiner Mutter glyphosatverseucht war? Und dass Ferdinands Papa als Bierschinken auf dem Pausenbrot gelandet ist?
Sich all dessen bewusst zu sein und das eigene Konsumverhalten entsprechend ändern – das ist der erste Schritt zum nachhaltigen Lebensstil, und das hat sehr sehr sehr sehr viel mit unseren Essgewohnheiten und unserem Umgang mit Lebensmitteln zu tun: „Du bist, was du isst.“
Ich will heute gar nicht das ganz große Fass aufmachen. Ja, es geistert immer wieder in meinem Kopf herum – Tierquälerei, Massentierhaltung, geschredderte Hahnküken, Glyphosat, der Preiskampf der Milchviehhalter und die Frage, welchem Bio-Siegel man überhaupt noch trauen kann in einer Zeit, in der Minister vermeintlich eigenmächtige Entscheidungen FÜR Glyphosat treffen. Ich habe die Newsletter diverser Verbraucherschutzorganisationen, von Foodwatch und Öko-Warentest abonniert. Die Wahrheit hinter dem Massenkonsum und Billigwahn ist düster, traurig, verstörend und eklig.
Aber wem sag ich das? Dir ist wahrscheinlich genauso klar wie mir. Die Frage ist ja: Wie und was können wir es selbst besser machen? Was können wir an unserem Lebensstil ändern? Und: Bringt das überhaupt was?
Zur Milchviehindustrie möchte ich hinzufügen: Wir haben ja vor einiger Zeit eine Woche Urlaub auf einem Milchkuhhof verbracht. Das war kein spezieller Bio-Kuh-Bauernhof, und wir hatten dort die Gelegenheit uns einmal direkt anzusehen, wo die Milch herkommt und wie es den Kühen geht. Ich fand es für uns sehr aufschlussreich, für die Kinder war es eine schöne und interessante Woche. Ich kann auch auch nicht sagen, dass alle Milchbauern „böse“ sind – dieses Bild wird gern von radikalen Veganern gezeichnet. Ich habe eine wahnsinnig herzliche und offene Familie gesehen, deren gesamtes Vermögen in dem Hof steckt, die für ihre Milchpreise hart verhandeln muss, und die sich mit dem Bauernhoftourismus ein weiteres Standbein aufbaut um überleben zu können. Ich finde, man urteilt oft schnell über den Verband der Milchviehhalter, aber am Ende versuchen sie auch nur zu überleben – und den Tieren ging es gut, soweit ich das beurteilen kann.
Nachhaltig leben als Familie: Was geht? Was nicht?
Wir machen bestimmt nicht alles richtig. Und nein, ich prüfe nicht (mehr) vor jedem Einkauf, ob die Ware fair gehandelt, bio und die Verpackung biologisch abbaubar ist. Eine Zeitlang habe ich akribisch darauf geachtet, woher Kleidung und Lebensmittel stammen. Habe ganze Produktgruppen und Marken von meiner Einkaufsliste gestrichen und Jogurt ausschließlich aus Gläsern gekauft. Irgendwann, als ich unseren T4 mit Diesel volltankte, wurde mir bewusst, dass es alles unbedeutend ist angesichts der anhaltenden Konsumkatastrophe der westlichen Bevölkerung.
Und ja, eine gewisse Resignation ist da auch schon dabei. Was ist mit Spielzeug? Möbeln?
Allen Versuchen des „nachhaltig leben“ steht voraus, dass wir als Menschen, als Familie, in ein Gesellschaftssystem eingebunden sind, dass es uns nur innerhalb gewisser Grenzen erlaubt „nachhaltig zu leben“. Natürlich gibt es rein theoretisch die Alternative komplett auszusteigen. Es gibt so Projekte, und ich kenne sogar über ein, zwei Ecken ein Paar, dass das wirklich durchzieht (edit: Bei solchen Projekten muss man inzwischen aufpassen nicht irgendwelchen rechten Bio-Bauern auf den Leim zu gehen, die das Thema für ich nutzen), aber eigentlich lebe ich schon gern unser Leben, wie es ist.
Ich mag nämlich viele Vorteile unserer Gesellschaft ziemlich gern, z. B. die gesundheitliche Versorgung und die Möglichkeiten meine Kinder zu impfen (und jetzt bitte KEINE Impfdebatte, sonst erschlage ich euch zukünftig mit Ärzte-Interviews und WISSENSCHAFTLICHEN Studien über Impfungen), sowie Strom, das Internet (es ist nicht nur schlecht!) und natürlich meine heiße Wanne am Abend. Und die Waschmaschine!! Ich hätte sogar gern manchmal eine zweite, wenn ich ehrlich bin.
Innerhalb dieses Rahmens ist es dennoch möglich wenigstens ein bisschen das Thema Nachhaltigkeit zu verfolgen – z.B. bei jedem Supermarkteinkauf. (Ich sage ja auch immer, dass ein Einkaufszettel auch ein Stimmzettel ist, aber dies nur am Rande.) Mittlerweile kaufe ich nur noch fair gehandelten Kaffee und achte auch bei Schokolade und Keksen auf die Herkunft. Ich meide Großkonzerne, die z.B. für ihre rücksichtslose Trinkwasserpolitik oder für Steuerflucht bekannt sind. Und auch wenn ich wahrscheinlich deutlich mehr Geld mit diesem Blog verdienen würde, verzichte ich seit einiger Zeit auf Partnerlinks zu einem gewissen amerikanischen Großkonzern.
Für Kleidung gilt dasselbe! Es ist mir als Näherinnen besonders bewusst, wieviel Zeit und Arbeit in einem Kleidungsstück stecken, und dass es unmöglich ist, wenn im Billigladen T-Shirts für 5€ und weniger verkauft werden. (Ich habe euch unten eine Dokumentation dazu verlinkt.) Solche Läden betrete ich gar nicht erst, und beim Kauf (alles kann ich ja nun nicht nähen) gibt es auch hier Siegel und Zertifikate, denen ich Vertrauen schenke (kein restloses – ein bisschen Zweifel ist leider immer dabei).
Das alles sind nur kleine Tröpfchen auf dem dank Klimawandel viel zu heißen Stein, und sobald ich wieder an der Zapfsäule stehe… tja, das kann ich nicht schönreden! Wir haben auch (noch) eine Ölheizung, und wenn es nach uns ginge, hätten wir die schon gegen Pellets oder sowas ausgetauscht. Aber tauschen wir eine funktionierende Heizung einfach so mal eben aus?
Du merkst, dass ich mich permanent im inneren Konflikt befinde: Müsste ich nicht eigentlich noch viel mehr? Die Antwort ist: Ja, natürlich. Aber die vollständige Nachhaltigkeitsperfektion werde ich in meiner aktuellen Lebensphase nicht erreichen. Wir können nur kleine Schritte machen und stetig daran arbeiten uns noch zu verbessern – wie mit allem im Leben!
Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist riesengroß. Und es bedeutet leider viel viel mehr als auf Plastiktüten zu verzichten – die Plastiktüte allein macht ja nun auch gar nicht soviel aus – trotzdem sind so Projekte wie die Bring back Bag ein Schritt in die richtige Richtung.
Was wir können, das machen wir nun auch. So unterstützen wir seit ihrer Gründung die Solidarische Landwirtschaft Vauß-Hof eG.
Solidarische Landwirtschaft: Wie funktioniert das?
Monatlich zahlen wir einen festen Betrag, den wir uns selbst gesetzt haben. Es gibt natürlich einen Richtwert (ca. 65€), an dem sich der monatliche Beitrag orientiert. Und je nachdem, wieviel oder wenig man selbst an Arbeitsstunden einbringen kann, legt man auf diesen Richtwert noch etwas drauf.
Neben der Arbeit auf unserem Bio-Acker (und wir sind hier wirklich sicher, dass die Erde und das Saatgut absolut genfreie Qualität haben) kann man sich noch in verschiedenen AGs rund um das Gemüse engagieren – und dabei unglaublich viel lernen!
Ist das nur ne Gemüsekiste, oder kann man auch mehr lernen und machen?
Diese Angebote sind alle freiwillig. Ich muss gestehen, dass wir auch leider nicht die Zeit haben regelmäßig teilzunehmen – für uns ist es hauptsächlich eine Gemüsekiste.
Das Gemüse schmeckt übrigens – wer hätte es anders erwartet – so, wie ich das aus meiner Kindheit her noch von Omas Kartoffeln und Tomaten her kenne. Nämlich richtig nach Gemüse! Mein persönlicher Favorit sind die Salatgurken, Tomaten und Kartoffeln.
Gibt es nur Gemüse oder auch andere Sachen?
Gemüse probieren
Außerdem waren wir nun gezwungen einige Gemüsesorten auszuprobieren, die wir vorher gar nicht kannten. Stielmus zum Beispiel. Dazu habe ich sogar ein sehr leckeres Rezept gefunden – und ich freue mich schon auf die nächste Saison! Außerdem Postelein, das gibts jetzt bald wieder. Auch kaufe ich sonst eher selten Rote Bete, Kohlsorten, Bohnen usw.
Dank der Solawi haben wir nun einige regionale und saisonale Gemüsesorten für uns entdeckt. Natürlich gibt’s im Sommer Zucchini ohne Ende, und da muss man dann kreativ werden, wohin mit dem ganzen Gemüse – die Kinder können es dann ja irgendwann auch nicht mehr sehen! Aber ich hab jetzt schon einige Rezepte gesammelt, und wenn du noch einen heißen Tipp hast – her damit :D.
Die Solawi Vauß-Hof eG
Wenn du jetzt Interesse hast mitzumachen, dann schau doch am besten gleich mal auf der Website vorbei – wenn alle Ernteanteile vergeben sind, gibt es eine Warteliste.
Alle anderen müssen nicht traurig sein: Ich habe in der Linkliste auch den „Dachverband“ verlinkt – hier kannst du nach Solawis in deiner Nähe suchen! Es lohnt sich auf jeden Fall am Tag der Offenen Tür vorbeizukommen – egal welche Solawi man in der Nähe hat.
Ich hoffe, dir hat dieser Artikel gefallen, und ich konnte dir ein paar Anregungen geben für genfreies Bio-Gemüse und gesundes Essen? Vielleicht trägst du dich ja auch sowieso mit dem Gedanken dich einer Solawi anzuschließen?
Abschließend habe ich noch ein paar Links gesammelt, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen – selbstverständlich ohne den Anspruch vollständig zu sein!
Zuletzt noch der Hinweis: Dieser Artikel ist in freundlicher Zusammenarbeit mit der Solawi VaußHof eG entstanden, aber ich habe weder Geld noch irgendwelche Leistungen dafür erhalten.
Viele Grüße,
Sonja
Links und Quellen
Solidarische Landwirtschaft Vauß-HofeG – „unsere“ Solawi in Paderborn.
Solidarische Landwirtschaft Dachverband – Solawi in deiner Nähe finden!
Fair Trade Siegel – Kritik – ein Überblick auf Utopia.de
Sweat Shop – Dokumentation über die Textilherstellung in Kambodscha: Drei norwegische Upper-Class-Jugendliche, darunter eine Fashion-Bloggerin, leben und arbeiten in einer Textilfabrik. Sehenswert!
Chronisch vergiftet – Monsanto und Glyphosat (Arte Dokumentation) – Warnung: In dieser Dokumentation von Arte werden missgebildete Schweine und Föten gezeigt. Das ist nichts für schwache Nerven. Solltest du gerade schwanger sein, sieh es dir bitte nicht an.
Let’s make Money (Trailer) – Dokumentation von Erwin Wagenhofer. Die gesamte Dokumentation kann man sich für 2,99€ direkt auf Youtube ansehen.
Völkische Siedler im ländlichen Raum – Über rechte Bio-Bauer-Projekte
5vor12 – eine Blogaktion zum Mitmachen von Mamadenkt.de – jeden Monat neu!
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